Notfall Magendrehung

…gute Chancen bei frühzeitiger Behandlung!

Nachts um 23 Uhr läutet das Telefon. Eine aufgeregte Stimme am anderen Ende berichtet, ihrem Hund gehe es nicht gut. Er atme sehr schwer und schwanke beim Gehen.

Auf Nachfrage erläutert die Besitzerin: Aron, ihr Irish Setter, habe um 20 Uhr noch normal gefressen, er sei jetzt sehr nervös, versuche zu Erbrechen und habe einen dickeren Bauch als sonst. 

Wir bestellten den Patienten auf schnellstem Wege in unsere Praxis und bieten das OP-Team auf. Es folgt die übliche Routine: Allgemeiner Untersuch, Infusion, Röntgen – Diagnose: Magendrehung, Einführen der Magensonde erfolglos, Magenpunktion, weitere Infusionen.  Um 0.30 Uhr stabilisiert sich der Kreislauf soweit, dass eine Narkose eingeleitet werden kann. Es folgt der operative Eingriff: Eröffnung der Bauchdecken, teilweises Absaugen des Mageninhaltes, Öffnen und Entleeren des Magens, Naht der Magenwand, Reposition (Zurückschieben in die Bauchhöhle) und Befestigung des Magens in seiner anatomischen Position, Wundverschluss. Um 3.15 Uhr zeigt das EKG erhebliche Herzrhythmusstörungen: Hektik kommt auf – Herzmedikamente werden verabreicht – der Zustand des Patienten stabilisiert sich wieder. Nach drei Tagen wird Aron noch etwas müde, aber in gutem Zustand entlassen.

Ursachen und Entstehung

Aus der Abbildung des gesunden Hundemagens ist ersichtlich, dass der Magen an zwei Punkten im Bauchraum fixiert ist. Die Speiseröhre tritt durch das Zwerchfell und mündet kurz hinter diesem in den Magen. Der Magenausgang (Pförtner) geht in der ersten Abschnitt des Dünndarmes, den Zwölffingerdarm über. Das Netz entlang der grossen Krümmung des Magens und weitere Bänder zu Leber und Milz sind sehr lose und passen sich jeder Dehnung und Bewegung des Magens an.

Bedingt durch diese anatomischen Gegebenheiten hat der Magen viel Spielraum, sich in der Bauchhöhle zu bewegen. Kommt es nun zu einer Kombination übermässiger Futter-, Wasser- oder Gasansammlung im Magen, kann sich dieser um seine Längsachse, am häufigsten im Uhrzeigersinn, drehen (s. auch die Abbildungen). Von der Magendrehung zu unterscheiden ist die Magenblähung. Sie ruft ähnliche Symptome hervor, wobei sich der Magen jedoch in seiner normalen Lage befindet.

In den meisten Fällen besteht ein enger Zusammenhang mit der Futteraufnahme wie z.B. eine schnelle Aufnahme grosser Trockenfuttermengen. Durch zusätzliche Wasseraufnahme quillt das Futter und der Magen wird stark gedehnt, dadurch kann eine Rotationsbewegung auftreten. Starke Bewegungen (Herumtollen) nach dem Füttern kann eine weitere Ursache für die Magendrehung sein. Einige Hunde mit Magendrehung zeigen jedoch einen nur leicht gefüllten Magen und  hatten unmittelbar vor der Erkrankung auch keine übermässige Bewegung. Bei diesen Tieren wird eine Dysfunktion des Pylorussphinkters (gestörte Magenentleerung) sowie der Verlust des regulären Bewegungsrhytmus des Magenkörpers als Ursache diskutiert.

Risikogruppen

Tiefbrüstige Hunde grosser Rassen wie Deutsche Doggen, Irish Setter, Deutsche Schäferhunde, Rottweiler, Labrador Retrievers, Alaskan Malamute und Afghanen sind von der Erkrankung, bedingt durch ihre Anatomie, häufiger betroffen. Es sei jedoch betont, dass die Magendrehung weitgehend alle Hunderassen betreffen kann.

Folgen

Durch die Drehung der Speiseröhre verschliesst sich der Magen. Abgeschluckte Luft und gebildete Gase können nicht mehr entweichen und dehnen den Magen weiter aus. Der übergrosse Magen drückt nun auf das Zwerchfell und auf die hintere Hohlvene, wodurch  Atmung und Blutzirkulation massiv beeinträchtigt werden. Dies führt sehr schnell, innert Minuten bis wenigen Stunden zum einem schweren Schockzustand. Mit der Drehung des Magens werden auch dessen Blutgefässe gestaut und die Magenwand schlechter durchblutet. Dauert dieser Zustand länger an, ist eine Nekrose (Absterben) von Teilen der Magenwand (dunkle Bereiche der Magenwand in der Abbildung des gedrehten Magens) und Magenriss die Folge. Da der Magen mit der Milz verbunden ist, kann es zu Abdrehung der Milzgefässe und zur Schädigung der Milz kommen. All diese Umstände führen, bei einer nicht behandelten Magendrehung, innert Stunden zum Tod des Patienten.

Symptome

Als erste Anzeichen einer Magendrehung zeigen die betroffenen Hunde, bedingt durch Bauchschmerzen, einen leicht aufgezogenen Bauch und grosse Ruhelosigkeit. Sie legen sich hin, um unmittelbar danach wieder aufzustehen, oder nehmen eine Gebetsstellung ein. Diese Anzeichen im Anfangsstadium sind sehr unspezifisch. Nach einiger Zeit kommt es zu Würgen, starkem Speicheln, erfolglosem Erbrechen gefolgt von rasch zunehmender Auftreibung des Bauches unmittelbar hinter den letzten Rippen. Der gasgefüllte Magen und die zunehmende Beeinträchtigung des Kreislaufs führen zu Atemnot, welche sich in der beschleunigten und flachen Atmung des Hundes äussert. Die Bindehäute der Augen können anfangs dunkelrot, später dann blass erscheinen. Im fortgeschrittenen Schockstadium erheben sich die Hunde nur noch mühsam oder können sich gar nicht mehr auf den Beinen halten.

Für Besitzerinnen und Besitzer von Hunden der Risikogruppe ist es wichtig, die typischen Symptome, wie erfolglose Brechversuche und die Auftreibung des Bauches frühzeitig zu erkennen, um beim Auftreten einer Magendrehung keine wertvolle Zeit zu verlieren.

Diagnose

Der Tierarzt kann bei Vorhandensein der typischen Symptome die Diagnose oft schon klinisch stellen. Eine Röntgenaufnahme des Bauches bestätigt die Diagnose. Sie zeigt den aufgegasten Magen wie in der Abbildung mit seiner, für die Magendrehung typischen Zipfelmützenform. Auch kann durch Röntgen die Magendrehung von einer reinen Magenblähung unterschieden werden. Die Röntgenaufnahmen erlauben keine Beurteilung des Ausmasses der Schädigung der Magenwand oder anderer Organe. Eine genauere Prognose kann daher erst während der Operation gestellt werden, wenn der Chirurg den Schweregrad der Veränderungen beurteilt hat.

Therapie

Die Therapie erfolgt in verschiedenen Schritten. Zuerst muss der Schockzustand des Patienten mittels intravenösen Infusionen soweit behoben werden, dass der Kreislaufzustand eine Narkose zulässt. Dies muss sehr schnell geschehen und oft sind dafür mehrere intravenöse Zugänge nötig (unmittelbar in mehrere Venen). Patienten in fortgeschrittenen Schockstadien können oft kreislaufmässig nicht mehr stabilisiert werden. Diese Tiere haben schlechte Aussichten eine Narkose zu überstehen. Des weiteren muss der Druck auf den Magen verringert werden. Dies kann durch eine Magensonde, die über das Maul eingeführt wird, bewerkstelligt werden. Gelingt das Einführen der Sonde auf Grund der stark abgedrehten Speiseröhre nicht, wird der Magen durch Anstechen von aussen mit einer feinen Hohlnadel abgegast. Unter Allgemeinnarkose wird die Bauchwand eröffnet und der Magen operativ wieder in seine normale Lage verbracht. Um einem Rückfall vorzubeugen, stehen dem Chirurgen verschiedenen Techniken zur Fixation des Magens an der Bauchwand zur Verfügung. Wenn Teile der Magenwand ihre Blutzufuhr verloren haben und dadurch unheilbar geschädigt sind, wird dieser Teil des Magens entfernt. Diese Hunde haben eine eher schlechte Prognose und ihre Überlebensrate ist gering. Während und nach der Operation können starke Herzarrhythmien auftreten, die das Leben des Hundes gefährden. Um diese frühzeitig zu erkennen und allenfalls medikamentell zu therapieren, wird während zu bis mehreren Tagen nach der Operation das Herz mittels einem EKG überwacht.

Prognose

Die Prognose ist abhänging im wesentlichen vom Ausmass der Blähung, der Schwere des Schockzustandes, der Zeit, die bis zum Einleiten einer Therapie verstreicht und der Präsenz anderer Organschädigungen, speziell des Herzens. Ungefähr 60% der Hunde überleben, wenn die Behandlung frühzeitig erfolgen kann. Es sei hier noch einmal betont, dass sich die Prognose mit jeder Viertelstunde, die nach dem Auftreten der Magendrehung verstreicht, verschlechtert!

Prävention

Hunde grosser Rassen sollten unbedingt zwei Mal täglich gefüttert werden. Dadurch wird verhindert, dass der Magen übermässig gefüllt wird. Hunden, die Trockenfutter erhalten, sollte man mit der Mahlzeit nur wenig Wasser geben oder das Futter eingeweicht und so vorgequellt verabreichen. Eine Stunde nach der Mahlzeit darf den Hunden Wasser zur freien Verfügung angeboten werden. Nach der Fütterung muss den Hunden eine Ruhepause von einer Stunde gewährt werden.

Wichtig für Hundehalterinnen und Halter ist es, die Symptome der Magendrehung wie Würgen, erfolglose Brechversuche, aufgetriebener Bauch und Unruhe genau zu kennen, um im Ernstfall nicht unnötig Zeit verstreichen zu lassen.

Die effektivste Methode der Prävention ist die Gastropexie, d.h. die chirurgische Befestigung des Magens an der Bauchwand. Sie verhindert die Drehung des Magens, nicht aber Magenblähungen. Die Gastropexie wird immer während des operativen Eingriffs bei Magendrehung durchgeführt. Sie kann aber an gefährdeten Hunden auch prophylaktisch, anlässlich anderer Eingriffe im Bauchraum, z.B. während der Kastrationen bei Hündinnen, vorgenommen werden.

Ratschläge

  • Füttern Sie grosse Hunde mehrmals täglich.

  • Vermeiden Sie Stress beim Füttern (mehrere Hunde einzeln füttern).

  • Verhindern Sie unkontrollierte Bewegungen (Herumtollen, Spielen) vor und nach den Mahlzeiten.

  • Bei ersten Symptomen konsultieren Sie schnellstmöglich Ihre Tierärztin oder Ihren Tierarzt.